Braunschweig. Die gemeinsam Aktion unserer Zeitung mit dem Paritätischen Braunschweig unterstützt in diesem Jahr Opfer, die von häuslicher Gewalt betroffen sind.

Die Leserinnen und Leser unserer Zeitung können sich auch dieses Jahr mit dem Paritätischen Braunschweig in der Weihnachtsspendenaktion „Das Goldene Herz“ engagieren und Hilfsprojekte in der Region fördern. Unter dem Titel „Häusliche Gewalt – Hilfe für Betroffene“ unterstützt die Aktion dieses Jahr 14 Projekte in der Region, die Hilfe für die Opfer von häuslicher Gewalt, aber auch präventive Hilfsangebote für die Täter von möglicher häuslicher Gewalt anbieten.

Ein Thema, dass gerade in den vergangenen Monaten an Bedeutung gewonnen hat. Auch Geschäftsführer des Paritätischen Braunschweig, Sven Spier stimmt hier zu: „Der Schutz vor häuslicher Gewalt, die Hilfe für deren Opfer und die Arbeit mit Menschen, die Gefahr laufen, zu Tätern zu werden, ist grundsätzlich ein wichtiges Thema und ein Arbeitsfeld sozialer Arbeit.“ Es sei gut, dass es nun durch die Aktion „Das Goldene Herz“ stärker in den Blick der Öffentlichkeit gerückt werde. „Unter den Bedingungen der Corona-Pandemie und speziell den Erfahrungen der Lockdowns hat sich die Situation der Betroffenen jedoch noch verschlimmert“, betont Spier. „Stressfaktoren wie räumliche Enge, wirtschaftliche Zukunftssorgen und der Wegfall von sowohl Freizeitaktivitäten als auch von Unterstützungsnetzwerken tragen zu einer Zunahme von häuslicher Gewalt bei.“

14 Projekte werden bei der Weihnachtsspendenaktion unterstützt

Auf diesen beiden Seiten stellen wir Ihnen alle 14 Projekte die in diesem Jahr durch das Goldene Herz unterstützt werden kurz vor. Über jede Initiative können Sie sich in den nächsten Wochen in unserer Zeitung noch ausführlich informieren. Unsere Redakteure stellen die Projekte dann vor, geben Einblicke in die Arbeit und die Projekte, die durch Ihre Spenden finanziert werden sollen. „Jedes einzelne Projekt, was in diesem Jahr im Rahmen der Aktion vorgestellt und unterstützt wird stellt einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag zur Verbesserung der aktuellen Situation dar“, hebt Spier hervor.

Die Täterberatungsstelle der Jugendhilfe Wolfenbüttel hilft etwa Männern in sechsmonatigen Kursen, in Gruppensitzungen und Einzelgesprächen ihre Gewaltmuster zu erkennen und diese dann auch zu durchbrechen. Und die Frauenhäuser der Region helfen Frauen in Not und haben auch während der Pandemie ihre Türen geöffnet. „Viele soziale Einrichtungen und Projekte sind dabei leider nicht auskömmlich finanziert und stark auf Spenden für ihre Arbeit angewiesen“, sagt Spier und ergänzt: „Daher bin ich sehr glücklich über die gemeinsame Aktion. Diese ist für viele Organisationen eine einmalige Chance, von den Leserinnen und Lesern der Zeitung wahrgenommen, unterstützt und wertgeschätzt zu werden.“

So können Sie mit Ihrer Spende helfen

Unsere gemeinsame Spendenaktion hat bereits viele Hilfsprojekte in der Region unterstützen können. Mehr als 3 Millionen Euro konnten seit 2001 – jedes Jahr für einen anderen guten Zweck – gesammelt werden.

Und so können Sie helfen: Einzahlungen sind möglich bei allen Banken und Sparkassen auf das Spendenkonto des Paritätischen Braunschweig bei der Braunschweigischen Landessparkasse:

IBAN: DE53 2505 0000 0000 3006 16

(BIC: NOLADE2HXXX)

Die Spenden kommen ohne Verwaltungsaufwand den Projekten zugute. Geben Sie auf Ihrer Überweisung mit dem Verwendungszweck „Das Goldene Herz“ Ihre Anschrift für eine Spendenquittung an. Bis 200 Euro gilt der Überweisungsträger als Quittung. Die Namen der Spender veröffentlichen wir auf der Leser-Seite unserer Zeitung. Wer das nicht möchte, schreibt bitte zusätzlich in den Verwendungszweck „Anonym“.

Technologie für digitale Beratung nötig

Ann-Kristin Hartz (rechts) mit Kolleginnen der Frauen- und Mädchenberatung.
Ann-Kristin Hartz (rechts) mit Kolleginnen der Frauen- und Mädchenberatung. © Bernward Comes

Die Corona-Pandemie hat auch in der Frauen- und Mädchenberatungsstelle bei sexueller Gewalt so etwas wie eine digitale Wende eingeleitet. Eine offene Beratung ohne Termin? Auf Wunsch auch anonym? Fällt seither weg. Schon wegen der notwendigen Kontakt-Nachverfolgung. Auch die von Arbeitgebern immer stärker nachgefragten Fortbildungsangebote, wie sie ihre Beschäftigten vor sexueller Belästigung oder Gewalt am Arbeitsplatz schützen können, musste der Verein coronabedingt streichen. „Wir benötigen ein Konzept zur professionellen Online-Beratung“, sagt Mitarbeiterin Ann-Kristin Hartz. Es gebe schon Vorreiter in Sachen Videosprechstunde. Nur finanzieren lässt sich das für die Braunschweiger Frauen- und Mädchenberatung ohne Spenden kaum. „Neben der technischen Aufrüstung mit Computern, Kameras oder Smartphones, um unsere Beratungen und Fortbildungen in Zukunft auch digital anbieten zu können, braucht es vor allem die entsprechende IT-Unterstützung. Auch die kostet Geld“, erklärt Hartz. „Zudem planen wir eine barrierefrei Homepage, damit wir mehr Menschen mit unseren Hilfsangeboten erreichen.“ Auch über die Corona-Pandemie hinaus.

Vorübergehende Zuflucht für traumatisierte Frauen

Hella von Wedemeyer (von links), Andrea Teuchert und Miriam Fetter vom Gifhorner Frauenhaus.
Hella von Wedemeyer (von links), Andrea Teuchert und Miriam Fetter vom Gifhorner Frauenhaus. © Daniela König

Beratung am Telefon, Bewohnerinnen auf Termine begleiten, Behördenangelegenheiten regeln, therapeutische Vorgespräche führen, Anträge stellen, Krisenmanagement betreiben – die Liste der Aufgaben, die die Mitarbeiterinnen im Gifhorner Frauenhaus erledigen, ist lang. Leiterin Hella von Wedemeyer, Hauswirtschaftskraft Andrea Teuchert und Sozialpädagogin Miriam Fetter sind für die Frauen da, die im Frauenhaus eine vorübergehende Zuflucht suchen, bis sich ihre persönliche Lage ein wenig beruhigt hat. Sie haben sexuelle oder körperliche Gewalt erlebt, waren jahrelang Psychoterror ausgesetzt, eingesperrt, erniedrigt und kleingehalten. Acht Zimmer bietet das Frauenhaus, das es seit 1993 im Kreis Gifhorn gibt und inzwischen aus allen Nähten platzt. Denn hin und wieder bringen die Frauen auch Kinder mit. „Wir sind eigentlich durchgängig voll“, sagt Hella von Wedemeyer. Wenn das Büro nicht mehr besetzt ist, übernehmen vier Frauen von 16 bis 9 Uhr die Rufbereitschaft. Weil die Mitarbeiterinnen den Bewohnerinnen bei Umzügen oder Behördengängen derzeit mit ihrem Privatauto aushelfen müssen, würden sie sich über einen Bus für das Frauenhaus freuen.

Im „Dialog“ mit zahlreichen Betroffenen

Daniela Cevik (von links), Mareike Wagenknecht und Jill Lehmann beraten in der Wolfsburger Fachstelle Dialog. 
Daniela Cevik (von links), Mareike Wagenknecht und Jill Lehmann beraten in der Wolfsburger Fachstelle Dialog.  © Katharina Keller

In der Fachstelle Dialog in Wolfsburg gibt es zahlreiche Möglichkeiten, über das Thema der sexuellen oder häuslichen Gewalt zu sprechen. Für Kinder stehen zum Beispiel viele Spielsachen bereit – wie eine Werkbank oder ein Puppenhaus etwa. „Es gibt auch andere Möglichkeiten – und nicht nur das Erzählen“, betont Daniela Cevik. Gemeinsam mit Sabrina Huth ist sie Geschäftsführerin der Fachstelle Dialog, die im kommenden Jahr ihr 15-jähriges Bestehen begeht. In ihrem Team arbeiten gut ein Duzend Beratungskräfte. Neben den zahlreichen Frauen ist auch ein Mann vertreten. Schließlich erfahren auch Männer Gewalt – und deshalb findet es Cevik absolut notwendig, dass auch eine männliche Kraft Betroffenen zur Seite stehen kann. „Wir beraten Kinder, ältere Menschen. Täter allerdings beraten wir nicht“, betont Cevik. Die Beratung ist kostenlos und kann auf Wunsch anonym erfolgen. Offene Sprechstunden bietet die Fachstelle am Dienstagvormittag und Donnerstagnachmittag an. Rund 80 Männer suchen sich hier im Jahr Rat, unter den Frauen sind es 300. Hinzu kommen 100 Kinder und Jugendliche, die beraten werden, so Cevik. Und seit einiger Zeit gibt es auch eine Außenstelle von Dialog in Gifhorn.

Das große Ziel: Ein selbstbestimmtes Leben

Uthe Bloch ist Mitarbeiterin im Wolfsburger Frauenhaus. 
Uthe Bloch ist Mitarbeiterin im Wolfsburger Frauenhaus.  © Katharina Keller

Tag und Nacht ist das Wolfsburger Frauenhaus zu erreichen. Hier suchen Frauen meist mit ihren Kindern Zuflucht, wenn sie misshandelt wurden, wenn sie sich bedroht fühlen. Insgesamt 13 Plätze stehen in Wolfsburg zur Verfügung, viel zu wenig für den eigentlich Bedarf, bedauert Mitarbeiterin Uthe Bloch. Daher gibt es eine Warteliste. Zudem ist das Frauenhaus in dieser Zeit der Corona-Pandemie nicht vollbelegt. „Viele Frauen planen ihren Weggang und kommen dann mit den nötigsten Sachen an“, berichtet Bloch. Andere wiederum werden von der Polizei gebracht. „Dann ist nichts vorbereitet und wir müssen schauen, wie die Frauen an die wichtigsten Dokumente kommen“, erzählt Bloch. Nach dem Aufnahmegespräch haben die Frauen die Möglichkeit, in Ruhe anzukommen. „Es ist wichtig, dass sie durchatmen können“, betont Bloch. Schließlich schauen die Mitarbeiter gemeinsam mit den Betroffenen, welche Möglichkeiten es gibt: Wo können die Kinder zur Schule oder in die Kita gehen? Wird Unterhalt gezahlt? In einer großen Wohngemeinschaft leben sich die Frauen ein - und sollen ein Leben, was selbstbestimmt ist, erlernen. Viele bleiben einige Monate, ein halbes Jahr bis Jahr.

Erlebte Gewalt gemeinsam verarbeiten

„Orange your City“ – So setzen Helmstedter ein Zeichen zur Ächtung von Gewalt gegen Frauen.
„Orange your City“ – So setzen Helmstedter ein Zeichen zur Ächtung von Gewalt gegen Frauen. © Privat | Melanie Schwirz

Die Frauenberatungsstelle des Paritätischen in Helmstedt plant die Gründung einer Stärkungsgruppe für Frauen nach Partnerschaftsgewalt. Dazu erläutert die Leiterin Antje Wohlers: „Erlebte Gewalt, insbesondere durch einen Partner oder Expartner, hinterlässt tiefe Spuren. In der Stärkungsgruppe können Frauen im Austausch mit anderen Betroffenen und unter professioneller Begleitung Erlebtes teilen und verarbeiten, die eigenen Stärken und ihren Selbstwert (wieder-) entdecken und entwickeln, um gestärkt in die Zukunft starten zu können.“ Eine Gruppe von Menschen, die Vergleichbares erlebt haben, könne eine Unterstützung für die Einzelne darstellen und helfen, den verlorenen Boden unter den Füßen wiederzufinden. Das Projekt soll vor allem ältere Frauen ansprechen. Viele ältere von Gewalt betroffene Frauen hätten diese über viele Jahre erlebt – meistens ohne die Möglichkeit, sich Unterstützung zu holen oder sich über das Erlebte auszutauschen – auch nicht über die sozialen Medien, die heute viele jüngere Frauen nutzen. Die Gruppe soll durch eine psychotherapeutisch ausgebildete Honorar-Kraft begleitet und für insgesamt 20 Termine (so der bisherige Plan) angeboten werden.

Barrierefreies Wohnen im Frauenschutzhaus

Katrin Bona (links) und Antje Wohlers stellen vor einer Bilderwand das Frauenschutzhaus vor
Katrin Bona (links) und Antje Wohlers stellen vor einer Bilderwand das Frauenschutzhaus vor © Jürgen Paxmann

Seit es das Frauenschutzhaus in Helmstedt gibt, notieren die Verantwortlichen beim Paritätischen eine hohe Fluktuation. Zeichen dafür, dass der Bedarf nach einer solchen Schutzeinrichtung dringend gegeben war. Kreisgeschäftsführerin Andrea Zerrath beschreibt die logischen Konsequenzen: „Immer wieder sind Maler- und Reparaturarbeiten nötig.“ Zur Verfügung stehen den durch physische Gewalt in Not geratenen Frauen acht Wohnbereiche, in der auch bis zu 16 Kinder Platz finden können. Neu ist die Idee, ein Appartement barrierefrei zu gestalten. Dafür wurde bereits ein Aufzug eingebaut. Was fehlt, sind entsprechendes Equipment für die Küche, auch grundlegende Dinge wie Geschirr und Besteck, sowie diverse Möbel für den Gemeinschaftsraum. Was durch den Umbau gelitten hat, ist die Gestaltung des sichtgeschützten Außenbereichs. Leiterin Katrin Bona würde sich freuen, wenn auch demnächst der Garten wieder so hergerichtet werden könnte, dass die dort wohnenden Frauen, Mütter und Kinder sich draußen aufhalten beziehungsweise dort spielen können. Der Standort in Helmstedt ist aus Sicherheitsgründen geheim. Das Haus ist eingebettet in ein Netzwerk von Behörden und Beratungsstellen.

Kindern das Leben im Frauenhaus erleichtern

Astrid Sutor, Leiterin des Braunschweiger Frauenhauses.
Astrid Sutor, Leiterin des Braunschweiger Frauenhauses. © Bernward Comes

Frauenhaus – dieser Name unterschlägt eine wichtige Tatsache: Dass im Frauenhaus nicht nur Frauen, sondern ebenso Frauen mit ihren Kinder Zuflucht vor Schlägen, Demütigungen, Drohungen, Beleidigungen oder sexueller Gewalt suchen. Sätze wie „Ich fürchte um mein Leben“ oder „Ich habe Angst um meine Kinder“ hat Astrid Sutor, Leiterin des Braunschweiger Frauenhauses, schon oft gehört. Gerade nach der Geburt von Kindern scheine Gewalt noch zu eskalieren. So leben zeitweise mehr als 20 Kinder im Braunschweiger Frauenhaus. Kinder, die verstört, traumatisiert, verängstigt sind. Und die ein großes Bedürfnis nach Wärme und Zuwendung hätten, sagt Sutor. Spenden können helfen, die Umgebung für sie anheimelnder zu machen. Im Haus sollen sie sich beschützt und aufgehoben fühlen. Eine hölzerne Hochebene im Kinderbereich wünschen sich die Mitarbeiterinnen daher als Kuschelecke. Die wäre aus Bordmitteln schwer zu finanzieren. Ebenso fehlen im Frauenhaus Tablets für Schüler in Corona-Zeiten. Neben Ausflügen würde Astrid Sutor auch gern therapeutsches Reiten ermöglichen: „Denn Tiere wirken sich positiv auf die psychische und soziale Entwicklung der Kinder aus.“

Tiertherapie gegen das Trauma

Stefanie Albrecht Mitarbeiterin der Braunschweiger BISS.
Stefanie Albrecht Mitarbeiterin der Braunschweiger BISS. © Bernward Comes

Wenn die Nachbarn aus Sorge die Polizei gerufen, wenn die Beamten den Gewalttäter der Wohnung verwiesen haben, dann bleiben die Opfer häuslicher Gewalt, die zumeist Frauen sind, allein zurück, oft verstört und in Ungewissheit, was nun geschehen soll. In dieser Lage sind viele erleichtert über den Anruf von Stefanie Albrecht, Mitarbeiterin der Braunschweiger BISS, der Beratungs- und Interventionsstelle bei häuslicher Gewalt. Nach einem Polizeieinsatz nehmen die Mitarbeiterinnen der BISS Kontakt zu den Opfern auf. Ein wichtige Botschaft an Betroffene: „Wir hören zu und glauben ihnen. Und wir benennen das Geschehen klar als das, was es ist: als Straftat“, sagt Stefanie Albrecht. Das sei wichtig. Denn nicht selten suchten Opfer die Schuld bei sich selbst. Die BISS klärt auf: über Rechte zum eigenen Schutz, Frauenhaus- und Beratungsangebote, über wirtschaftliche Absicherung. Das Land finanziert dieses Hilfsangebot. Darüber hinaus gehende Spenden würden die BISS-Mitarbeiterinnen gern für Prävention und Aufklärung im Vorfeld verwenden. Um nicht nur Schaden zu begrenzen. Ein zweiter Wunsch: Tiertherapie anbieten zu können. „Tiere können eine große Stütze sein.“

Gewaltmuster erkennen und durchbrechen

Vanessa Reupke (rechts) und Beate Ulrich von der Täterberatung des Vereins Jugendhilfe Wolfenbüttel.
Vanessa Reupke (rechts) und Beate Ulrich von der Täterberatung des Vereins Jugendhilfe Wolfenbüttel. © Jörg Kleinert

„Es ist nur einmal passiert, dann nie wieder.“ Ein Satz, den Beate Ulrich und ihre Kollegin Vanessa Reupke von der Täterberatungsstelle der Jugendhilfe Wolfenbüttel häufig hören. Körperliche, seelische oder sexuelle häusliche Männergewalt gegen Frauen ist ein Problem. Beate Ulrich und Vanessa Reupke helfen gewalttätigen Männern in sechsmonatigen Kursen in Gruppensitzungen und Einzelgesprächen, ihre Gewaltmuster zu erkennen und zu durchbrechen. Über Kooperationen findet Beratung auch in Peine und Wolfsburg statt. Manche Männer kommen, weil ihnen die Justiz die Teilnahme im Zuge eines Strafverfahrens auferlegt hat. Andere nehmen aus eigenem Antrieb an der Täterberatung teil, aber auch Polizei und Jugendämter raten Männern häufig, sich an Beate Ulrich und ihr Team zu wenden. „Wir arbeiten mit Menschen, die Probleme haben mit ihrer Impulskontrolle“, sagt Beate Ulrich. „Unser Ziel ist, dass es weniger Gewalt in Familien gibt.“ Stimmen, die die Täterhilfe verurteilen, widerspricht Beraterin Vanessa Reupke. „Täterhilfe ist auch Opferschutz.“ Die Wünsche der Beratungsstelle: Programme für Täterinnen und für Väter, die Gewalt gegen ihre Kinder ausüben.

Nach Gewalterlebnis neue Wege gehen

Kathrin Sahin (links) und Petra Karger sind die Beraterinnen bei BISS und Heckenrose Peine.
Kathrin Sahin (links) und Petra Karger sind die Beraterinnen bei BISS und Heckenrose Peine. © Henrik Bode

Das Gewaltschutzgesetz regelt es: Wer schlägt muss gehen. Aber wie geht es dann weiter? Hier setzt die Arbeit der Peiner „BISS“ an, der Beratungs- und Interventionsstelle bei häuslicher Gewalt. „Wir bekommen den Bericht der Polizei und gehen auf die Frauen zu. Denn viele Frauen trauen sich nicht diesen Weg zu gehen – und sie schaffen es auch nicht, weil sie kein Selbstbewusstsein mehr haben. Sie haben Angst, fühlen sich ohnmächtig“, sagt Kathrin Sahin von der Peiner BISS-Beratungsstelle. Zusammen mit Petra Karger zeigt sie den betroffenen Frauen Wege auf. Wie überall, sind im Corona-Jahr mit den Lockdowns auch bei der Peiner BISS die Hilferufe angestiegen. „Normalerweise haben wir etwa 120 Fälle im Jahr – Mitte November hatten wir schon 140 Meldungen durch die Polizei. Etwa 25 Frauen haben sich von sich aus bei uns gemeldet.“

Die beiden Diplom-Sozialpädagoginnen arbeiten auch bei „Heckenrose“ zusammen, der Kontakt- und Beratungsstelle bei sexualisierter Gewalt gegen Frauen und Kinder. Selbstbewusstsein zu stärken und aufzuzeigen, dass es eine Lösung des Problems gibt – darum geht es auch hier. Ein weiterer Schwerpunkt von „Heckenrose“ liegt in der Prävention

Erledigungen, Ausflüge: Ein Auto muss her

In Wolfenbüttel können sich Frauen in Krisenzeiten auf das Frauenschutzhaus der Awo Verlassen.  
In Wolfenbüttel können sich Frauen in Krisenzeiten auf das Frauenschutzhaus der Awo Verlassen.   © AwO

Das Frauenschutzhaus der Arbeiterwohlfahrt in Wolfenbüttel unter der Leitung von Andrea Reinhardt-Ziola ist mehr als nur eine Herberge für Frauen in Not. Wenn gerade keine Pandemie grassiert, werden Gruppenaktivitäten organisiert, Ausflüge geplant und Einkäufe getätigt. Dafür braucht es ein zuverlässiges Auto für die Mitarbeiterinnen im Frauenschutzhaus. Wenn Frauen nicht mit der Polizei in das Frauenschutzhaus ziehen, verabreden die Mitarbeiterinnen einen Treffpunkt mit ihnen und holen sie ab. „Wir würden uns dafür gerne ein neues Fahrzeug anschaffen“, sagt Reinhardt-Ziola. Das Auto des Frauenschutzhauses sei in die Jahre gekommen. Momentan kann sich das Team des Wolfenbütteler Frauenschutzhauses um sechs Frauen kümmern. Normalerweise gibt es neun Plätze. Doch die Hygienemaßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie reduzieren das Angebot. So fallen auch viele Gruppenaktivitäten aus, berichtet Andrea Reinhardt-Ziola. Es hat in der Corona-Krise keinen Tag gegeben, an dem sie und ihr Team nicht für Frauen beratend zur Verfügung standen. Sie betont: „Wir haben trotz der Corona-Situation durchgehend eine offene Tür für Frauen.“

Peiner Frauenhaus plant Erweiterung

Nicole Reinert (links) und Anna Mucha in der Buchhaltung des Peiner Frauenhauses
Nicole Reinert (links) und Anna Mucha in der Buchhaltung des Peiner Frauenhauses © Henrik Bode

Die Flucht ins Frauenhaus – sie ist für Frauen in Not ein Rettungsanker: Anonym und abgeschirmt weg aus der Gefahrenzone. „Die Gewaltspirale wird mit Aufnahme der Frauen umgehend unterbrochen“, sagt Nicole Reinert, Leiterin des Peiner Frauenhauses. „Das Frauenhaus bietet Frauen mit ihren Kindern erstmals Raum und Ruhe um sich und die eigene Lebenssituation zu überdenken und mit Unterstützung eine neue gewaltfreie und vor allem selbstbestimmte Lebensperspektive zu entwickeln.“ 2019 haben im Peiner Frauenhaus 49 Frauen mit 38 Kindern Zuflucht gefunden. Gäbe es mehr Platz, wäre die Zahl um einiges höher. 74 Frauen mussten weitervermittelt werden. Die Platzanfragen von schutzsuchenden Frauen übersteigen seit Jahren die Aufnahmekapazitäten des Peiner Frauenhauses. Es hat 19 Plätze, acht Zimmer für Frauen und Kinder. Erweiterung ist in Peine daher ein aktuelles Thema. Der Verein, der das Frauenhaus trägt, will einen Förderantrag für das Bundesinvestitionsprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ stellen. Der Landkreis Peine hat bereits signalisiert, dass er 50.000 Euro bereitstellen will. Ob es einen Neubau oder einen Erweiterungsbau geben soll, ist noch offen.

Eine erste Anlaufstelle für viele Frauen in Not

Frederike Schröder von der BISS und Ulrike Hennies, helfen Frauen in Not.
Frederike Schröder von der BISS und Ulrike Hennies, helfen Frauen in Not. © Yvonne Weber

Gewalttätige Ehemänner, Stalker oder Kollegen – oft fällt es Frauen schwer, sich den Fängen der männlichen Peiniger zu entziehen. Die Beratungs- und Interventionsstelle bei Häuslicher Gewalt Salzgitter, kurz BISS, ist dabei für viele Frauen die erste Anlaufstelle. „Jede Frau bekommt ein Zeichen von uns. Dann liegt es an ihr die Hilfen anzunehmen“, erklärt Friederike Schröder. Beratungen über mögliche Auswege folgen per Telefon oder in den Räumlichkeiten an der Berliner Straße 80. 2019 konnten so 320 Frauen erreicht werden. Das war noch in den Anfangsjahren 2012 mit 77 Beratungsfällen anders. Die gute Netzwerkarbeit in Salzgitter, der Mut der Frauen und die höhere Sensibilität für dieses tabuisierte Thema ist es zu verdanken, dass nun bis zu zehn Fälle in der Woche auf dem Tisch von Friederike Schröder landen. Die BISS existiert seit 2006 unter dem Dachverband des Paritätischen Wohlfahrtsverband Salzgitter. Die Stelle sei immer auf Spenden angewiesen, betont Ulrike Hennies, Vorsitzende vom Dachverein Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt. „Uns fehlt Zeit und Geld für die wichtige Präventionsarbeit“, berichtet die Vorsitzende. Frühzeitige Wertevermittlung seien dabei besonders wichtig.

Hilfe für ein selbstbestimmtes Leben

Sozialarbeiterin Andrea Meyer leitet das Frauenhaus in Salzgitter.
Sozialarbeiterin Andrea Meyer leitet das Frauenhaus in Salzgitter. © Andrea Leifeld

Viele Geschichten, Einblicke und Eindrücke, dass es nicht in allen Kreisen unserer Gesellschaft „rund läuft“, finden sich im Frauenhaus Salzgitter. Diese wichtige Einrichtung wurde 1977 gegründet und befindet sich seit 2012 in der Trägerschaft der AWO Salzgitter. Seit Dezember 2018 wird das Frauenhaus durch die 44-jährige Sozialarbeiterin Andrea Meyer geleitet. Kostenlose Hilfe für Frauen in Not ist dort selbstverständlich. 2019 wurden über das Jahr 52 Frauen und 54 Kinder aufgenommen, ähnliche Zahlen belegen auch die Aufnahmen im Corona-Jahr 2020. „Unser Ziel ist es, dass diese Frauen ihr Selbstbewusstsein wiedererlangen und ein selbstbestimmtes Leben führen können“, beschreibt Meyer ihre Arbeit. Aber auch die Betreuung der Kinder, die unter der erlebten Gewalt oftmals leise und zurückgezogen leiden, sei immer eine herausfordernde Aufgabe. Mit den Spenden, die sie durch das „Goldene Herz“ bekommen, soll der triste und überalterte Spielplatz auf dem Innenhof der Einrichtung in eine kinderfreundliche und zeitgemäße Abenteuerlandschaft verwandelt werden. „Uns schwebt da ein großes Klettergerüst als Holz vor“, so die Einrichtungsleiterin.